Katalogtext: "être nature - Ortswechsel der Substanzen" Galerie Kyra Maralt, Berlin

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Marie-Theres Berger beruft sich in ihrem Werk auf die eigene Kraft der puren Farbe. Mal appelativ, voller Intensität, mal entrückt, zart und fragil - steht sie doch selbst im Mittelpunkt der Aussage - konturiert Farbe die klassischen Sujets: Natur und Interieur.
Interessant ist, daß sich eine deutsche, heute in Paris lebende Künstlerin dabei aus ihren frühen, malerischen Wurzeln heraus mit einer ureigens amerikanischen Stilrichtung, die der »Pattern art« auseinandersetzt. »Pattern art«, der kunsthistorischer Begrif - selbst noch jung - gelangt in den ausgehenden Siebzigern bzw. Anfang der achtziger Jahre zu voller Bedeutung. Er beschreibt eine farbenfrohe, wilde Malerei, die eine patchworkartige, großflächige Ornamentgestaltung in Anlehnung an Henri Matisse mit den aus Europa übernommenen spontan expressiven Malgesten verbindet, und deren Ursprung weit in die 20er Jahre zurückreicht.

Der Grund liegt in der ungewöhnlichen Schule, die Marie Theres Berger an der ältesten amerikanischen Kunstakademie der Philadelphia Academy of the Fine Arts in Pennsylvania an der sie zwischen 1978 und 1982 studierte, genossen hat. Die enge Bindung an ihre freigeistige Professorin Joan Mitcchell und die konservative handwerkliche Ausbildung an der Akademie haben sie so geprägt, daß sie nichts in aller Welt dazu bewegen wird »aufgeräumte« Bilder zu malen. Auch ihre weitergehenden Studien an der Ecole du Louvre haben daran nichts geändert. Heute, 13 Jahre später, ist für Marie-Theres Berger die Erfahrung des Loslassens nicht mehr als Suche nach dem intuitiv-kreativen Kontrollverslust zu definieren. Vielmehr ist dieser bewußtseinserweiternde Vorgang in aktio und reaktio der künstlerischen Geste einer, der die Bilder M.T. Bergers insgesamt durchdringt. Natur selbst scheint sich über die Sensibilität der Künstlerin zu verwirklichen.
Die kulturelle Widersprüchlichkeit, der sich Marie Theres Berger so in ihrem Sujet aussetzt, benennt unterschiedliche Spuren. Die amerikanische Kunst versteht Natur als Faktum, als permanente Ausdehnung, die den Eingriff, die künstlerische Geste als Vermessung und Grenzziehung allein über den Begriff des Veränderns beschreibt.
Natur im europäischen Sinne ist immer schon als Kulturlandschaft konnotiert und setzt im künstlerischen Umgang zwangsläufig kulturttherotisch-soziologische Intentionen voraus. Das heißt Natur wird in übertragener Bedeutung zitiert.. Natur an sich dient in Europa als bipolares Medium, um Spannungsfelder zu problematisieren oder umfassendere komplexe rationale, wie emotionale Modelle vorzutragen, die sich z.B. in der aktuellen Fotografie im Verweis auf persönliche Mythen oder auch im Hinblick auf manipulativ zerstörerische Vorgänge in der Gesellschaft niederschlagen.
Die spannende Gradwanderung, der auch der Betrachter ausgeliefert ist, wirft insbesondere in Amerika, aber auch z.B in Schweden und Frankreich immer neue Fragen gegenüber diesen Bildern auf. Fragen nach Wahrnehmungsmustern, Identität, aber auch nach diesem eigenen malerischen Stil, die nicht zuletzt dazu geführt haben, daß diese Werke neben den Privatsammlungen bereits in einigen Museen zu finden sind.

»Die Dinge in neuem Licht sehen, um Sie dadurch wieder mit einem frischen Blick betrachten zu können.« (Henri Matisse)

Sicher ist, daß auf den Bildern von Marie Theres Berger die Dinge nicht auf ihrem Platz sind. Eine Kontur läßt sich nicht scharf von der anderen trennen, die Farben fügen sich nicht den Formen und die Formen nicht den Farben - losgelößt streifen sie in der Komposition umher, wie das Licht im flirrenden Blattwerk eines Baumes. Das Feste fliehen und doch zugleich suchen - ein Blick, der in die Ferne schweift, um jäh in unmittelbarer Nähe Fesselndes zu entdecken.
Immer wieder bezeichnend in den Bildern ist dieses Spiel der starken nachdrücklichen Schraffuren, die sich als Hinter-, wie Vordergrund dauernd neu formulieren. Schwarz z.B in »Elfenbein schwarz«, tiefes rot wie in »au revoir« oder ein ein lichtes blau wie in »Sommer« treten in ihrer rhytmischen auf und abwärts Bewegung zeitweise nach vorne und dann wieder zurück. Ein Tupfer, eine kleine Fläche komplementärer Töne, die angedeutete Blüte fordern im Wandel des Lichts und der Struktur ihre Präsenz. Diese technisch entgrenzte Sinnlichkeit der Farbe, die persepektivisch gebrochenen Achsen, der Charakter der Schnelligkeit ringen - frei interpretiert - um die Erinnerung an das Chaos der miteinander verschmolzenen, miteinander tanzenden Elemente. Dennoch, kein Rausch nimmt hier Gestalt an. Keine Orgie von Farben und Formen wird hier gegeben, vielmehr eine vitalisierende Aufrichtigkeit gegenüber dem spontanen Akt des Entstehens.
Jede Bildpartie fügt sich wertig in die andere. Die Art der persönlichen Verbindung der Künstlerin zum Dargestellten bleibt offen. Die Bildtitel umreißen Augenblicke, kurze Grenzsituationen zwischen Mensch und Umwelt - Raumerfahrungen.
Nachmessen, Distanzen abschätzen, reine Überlagerungen, Valeurs festzustellen erübrigt sich jedoch. Auf diesem Weg offenbart sich nicht der Schlüssel zum Verborgenen, Kristallinen dieser Bilder.

Kyra Maralt

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